Volleyballer Tim Noack im Gespräch über den Umgang mit Verletzungen Teil II

München – Letzte Woche traf ich mich mit Zweitliga Spieler Tim Noack vom TSV Grafing um mich mit ihm über seine Verletzung aus dem letzten Jahr und den Umgang mit Verletzungen im Allgemeinen zu Unterhalten. Tim kratzte in den letzten Jahren an der Spitze der deutschen Beachvolleyball Szene und konnte vor allem mit seinen guten Leistungen bei der Smart-Beach-Tour (heute Techniker-Tour) von sich reden machen. Hier kommt Teil II des Interviews… .

 

Ole: Im ersten Teil des Interviews hast du erzählt, dass du neben deinem Start bei der Deutschen Tour in Zinnowitz auch in der Halle nochmal angreifen wirst. Dass es dazu kommen konnte hast du unter anderem deinen Physiotherapeuten und Athletiktrainern zu verdanken. Kannst du mir schildern wie der Prozess genau verlaufen ist?

 

Tim: Am Anfang durfte ich überhaupt nichts machen. Nach einer Woche im Krankenhaus und starken Schmerzmitteln war ich drei Wochen lang zu Hause bei meinen Eltern. Dort habe ich zweimal die Woche Lymphdrainagen erhalten. Dann konnte ich nach und nach mit dem Vacoped immer mehr auftreten. Daraufhin bin ich wieder in meine eigene Wohnung nach München gewechselt und habe mit meiner Physiotherapeutin Kathrin von Fit im Tal zwei- bis dreimal die Woche gearbeitet und danach noch am Oberkörperfahrrad den Kreislauf angeregt. In der Zeit habe ich mich außerdem strikt vegan und basisch ernährt, da ich mich im Vorfeld schon mit anti-entzündlicher Ernährung beschäftigt habe. Langsam wechselte sich die Physiotherapie dann immer häufiger mit dem Krafttraining und Athletiktraining mit Liane Weber ab. Zudem habe ich zu Hause jeden Tag den Fuß beübt. Im Schnitt habe ich pro Tag zwei bis drei Stunden für den Fuß aufgewandt. Das Feedback von allen Seiten war gut und der Prozess ist stetig vorangeschritten. So bin ich da gelandet wo ich heute bin.

 

Ole: Eine wirklich tolle Leistung! Mich interessiert natürlich auch was einem in so einer Zeit alles durch den Kopf geht. Was kannst du mir dazu erzählen?

 

Tim: In den ersten zwei bis drei Tagen war ich komplett fassungslos und extrem angefressen. Mein Gedanke war: „Wieso muss ausgerechnet mir so etwas passieren?“ Und als der Arzt dann seine Prognose ausgesprochen hat, kam mir auch der Gedanke, dass Hallenvolleyball für mich gestorben sei. Aber es hat dann eigentlich nur zwei bis drei Wochen gedauert bis ich im Kopf den Gedanken an die Beachvolleyballsaison als Ziel hatte. Ab da habe ich darauf hin gearbeitet wieder auf Sandplatz zu stehen. Als ich dann gesehen habe, dass es ganz gut funktioniert, ist dann auch die Halle wieder für mich zum Ziel geworden.

 

Ole: Wie hat dein Umfeld die Situation wahrgenommen?

 

Tim: Meine Mutter hat mir im Nachhinein gesagt, dass ich mich die ersten Wochen ganz schön hab hängen lassen. Was ja auch okay ist. Von einem auf den anderen Tag war es aber so, dass ich dann dieses Ziel hatte und mir sagen konnte: „Okay Tim, das sind die nächsten Schritte, du brauchst dich jetzt nicht mehr zu bemitleiden.“ Ich habe bisher aus jeder Verletzung etwas Positives rausgezogen. In der Saison 2016, in der es sportlich sehr gut bei mir und meinem Partner Yannick lief, wurden wir zweiter beim Turnier in Dresden und waren an drei gesetzt für das nächste Turnier. Prompt hatte ich einen kleinen Ermüdungsbruch im Fuß und musste sechs Wochen Pause machen. Das war auch bitter, da wir zu der Zeit in der Deutschen Spitze gut mithalten konnten. Ich bin mir allerdings im Nachhinein sicher, dass ich ohne die sechswöchige Pause keine der drei Prüfungen in der Uni bestanden hätte. Im Nachhinein bin ich sehr froh drum.

 

Ole: Und was konntest du Positives aus dieser Verletzung ziehen?

 

Tim: Ich hatte soviel Zeit zu Beginn, dass ich mich mit dem Thema Tauchen und Umweltschutz beschäftigen konnte, was für mich eine Herzensangelegenheit war, seit ich damals in Indonesien gewesen bin.  Nun habe ich mir mit dem Mantahari-Projekt einen Traum erfüllt, der so wahrscheinlich mangels Zeit nicht möglich gewesen wäre. Im Nachhinein hätte ich zwar lieber einen gesunden Fuß gehabt, aber es ist doch etwas ganz Tolles draus entstanden. (Mehr zu Tim’s Mantahari Projekt gibt’s auf seiner Webseite).

 

Ole: Du hast eben noch erwähnt, dass deine Mutter dich ein bisschen beobachtet hat in den Tagen nach der Verletzung. Hast du mit ihr darüber gesprochen wie es dir geht?

 

Tim: Nein, eigentlich habe ich das eher mit mir selbst ausgemacht. Über die Verletzung selbst habe ich eigentlich gar nicht mehr gesprochen, aber eigentlich eher unbewusst. Es war für mich dann einfach kein riesiges Thema mehr, in der Stunde bei der Physio habe ich natürlich darüber gesprochen. Zu Hause war dann aber eher alles was mich sonst in der Zeit so beschäftigt hat Thema. Das war für mich eigentlich ein ganz gutes Mittel, so konnte ich mich auch öfter von der Thematik ablenken.

 

Ole: Hattest du Phasen in deinem Rehabilitationsprozess an denen du dir nicht sicher warst, ob du es schaffen wirst?

 

Tim: Ich wurde im Vorfeld von allen Seiten gewarnt, dass es Phasen im Prozess geben wird, in denen sich merklich nichts verändern wird. Die gab es dann auch. Vor allem am Anfang im Vacoped, als ich gemerkt hab, der Fuß ist kaum beweglich und steht auch nicht in seiner „normalen Stellung“. Dann kam aber schnell die Muskulatur wieder, nur mit der Beweglichkeit hat es sehr lange gedauert. Dabei ist das Ganze dann eigentlich etappenweise besser geworden, es war gefühlt kein stetiger Prozess. An manchen Tagen hat es sich schlechter angefühlt als vorher. Einmal habe ich auf einer Messe ausgeholfen und acht Stunden am Stück gestanden am nächsten Tag sah mein Fuß aus als wäre ich zwei Monate im Heilungsprozess zurückgeworfen worden. Das war mental schon echt schwierig, weil man sich denkt: „Wie soll ich das nur wieder hinbekommen?“

 

Ole: Wie hast du es dann geschafft über diesen Punkt hinweg zu kommen?

 

Tim: Ich habe mich in der Phase blind auf die Leute verlassen, mit denen ich zusammengearbeitet habe. Ich halte sehr viel von meinem Arzt und auch meiner Physiotherapeutin. Diese haben immer wiederholt, dass ich geduldig bleiben muss und dass die schlechten Phasen ganz normal sind. Da habe ich mich ganz auf die Expertenmeinung verlassen. Für mich war es auch einfache Logik. Wenn der Fuß dünner wird und ich darauf hin die Belastung steigern kann, wird er danach wieder dicker, da er den neunen Reiz noch nicht kennt.

 

Ole: Vielen Dank für diesen Einblick Tim. Mich würde zum Schluss noch interessieren, wie es für dich persönlich weitergeht. Wie sehen deine Pläne aus?

 

Tim: Die Beachvolleyballsaison ist jetzt gut verlaufen, deshalb gehe ich jetzt wieder in die Halle, allerdings auf der Position des Zuspielers und nicht auf der des Außenangreifers. Außerdem habe ich mit der Mannschaft jetzt auch mit Crossfit angefangen, da werde ich dranbleiben. Nach der Saison möchte ich aber gerne wieder nach Indonesien und tauchen gehen. Wenn ich aus Indonesien zurückkehre, werde ich aber auch weiter Volleyballspielen. Der Sport gibt mir einfach sehr viel.

 

Persönlich habe ich meine letzte Prüfung gerade bestanden und schreibe nun meine Masterarbeit. Mein Mantahari-Projekt, mit dem ich zum Schutz der Ozeane beitrage, soll natürlich weiterwachsen und ich würde es gerne auch in Indonesien fördern. Ich freue mich auf das was da noch kommt.

 

Danke Tim, schön dass du dir die Zeit genommen hast. Ich wünsche dir für die Zukunft alles Gute und bin mir sicher, dass du deine Ziele weiter so unnachgiebig verfolgst wie du es bisher getan hast!

 

 

Sportpsychologische Perspektive:

 

Sobald ein Sportler eine Verletzung erleidet ist für ihn sein gesundheitsrelevantes Netzwerk entscheidend. Dies sollte gut aufgestellt sein und er sollte die Kompetenzen der einzelnen Parteien gut einschätzen können. Meist ist es notwendig, dass der Spieler nach einer Verletzung dieses neu Organisiert und sich anschaut welche Kompetenzen von welchem Mitglied seines Systems vertreten werden. Eine exemplarische Karte für so ein Netzwerk habe ich in diesem Bild dargestellt:

 

Des Weiteren wird mir häufig die Frage gestellt, ob es einen psychologischen Faktor gibt, der zu Verletzungen führt. Und tatsächlich gibt es psychologische Risikofaktoren, die eine Sportverletzung begünstigen können:

 

  • Gravierende Lebensereignisse in den letzten 6-12 Monaten
  • Das aktuelle Stresslevel der jeweiligen Lebenssituation
    • Athleten-Trainer-Konflikte
    • Materialprobleme
    • Reisestrapazen (Umstellung auf Zeit, Ort, Schlafmangel etc.)
    • Familiäre Belastung
    • Termindruck
  • Unzureichende Stressmanagementkompetenz des Sportlers

 

Das bedeutet die Aufgabe der Sportpsychologie ist es, neben der gemeinsamen Verarbeitung von Lebensereignissen (wenn gewünscht, manche Athleten nutzen dazu andere Ressourcen ihres Netzwerkes wie z.B. Vater/Mutter/Partner), dem Sportler ausreichend Stressmanagementkompetenzen zu vermitteln um das Stresslevel im Training & Wettkampf regulieren zu können. Dazu sollte möglichst früh mit der sportpsychologischen Betreuungsarbeit angefangen werden, z.B. schon im Kinder und Jungendalter. Auch ist ein regelmäßiges Belastungs- und Erholungsscreening unabdingbar.

 

Doch auch nach einer bereits entstandenen Verletzung helfen mentales Training, Körpersensibilisierungsübungen und Visualisierungstraining um effektiv und schnellstmöglich den Regenerationsprozess zu fördern. Dies wies übrigens der renommierte Professor Terry Orlick bereits 1991 in seiner Studie für die University of Ottawa nach.

 

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