Volleyballer Tim Noack im Gespräch über den Umgang mit Verletzungen

München – Letzte Woche traf ich mich mit dem Zweitliga Spieler des TSV Grafing Tim Noack um mich mit ihm über seine Verletzung aus dem letzten Jahr und den Umgang mit Verletzungen im Allgemeinen zu Unterhalten. Tim kratzte in den letzten Jahren an der Spitze der deutschen Beachvolleyball Szene und konnte vor allem mit seinen guten Leistungen bei der Smart-Beach-Tour (heute Techniker-Tour) von sich reden machen.

 

 

Ole: Hallo Tim, schön dass du dir Zeit genommen hast! In der letzten Saison, im September 2017, hast du eine Verletzung erlitten. Kannst du mir bitte kurz schildern was passiert ist.

 

Tim: Vorweg würde ich gerne kurz erzählen, dass ich in den letzten Jahren ausschließlich Beachvolleyball gespielt habe. Beachvolleyball ist ja eine zwei gegen zwei Sportart, für mich persönlich eine Mischung aus Team- und Individualsportart. Dabei geht mir persönlich der RICHTIGE Mannschaftsport ab, deshalb habe ich mich wieder entschieden Hallenvolleyball zu spielen. Es ist einfach was anderes, wenn man zu sechst, zu zehnt oder zu zwölft in der Mannschaft ist. Dann habe ich mich für Grafing in der 2. Bundesliga entschieden, da ich einige Jungs schon kannte und ein tolles Teamgefüge existiert. Ich habe mich vor der Saison körperlich ganz gut gefühlt und die Verletzung hat auch angeblich nichts damit zu tun, dass ich so lange nicht in der Halle gespielt habe.

 

In meinem zweiten Saisonspiel in Karlsruhe habe ich in einer Blocksituation in der Luft die Stabilität verloren. Das passiert mir leider öfter und ich bin dann einbeinig gelandet. Zu allem Übel ist mein Gegner dann auf der Linie gelandet und ich mit meinen knapp zwei Metern, meinen 90+ Kilogramm und meinem nach außen gedrehten Sprunggelenk auf ihm gelandet. Mein erster Gedanke war: Verdammt…umgeknickt, das kann ich jetzt gar nicht brauchen zu Beginn der Saison. Doch dann merkte ich relativ schnell, dass der Schmerz irgendwie stärker ist, als bei sonstigen Sprungelenksverletzungen und die Halle wurde plötzlich still.

Dann begannen auch schon die ersten Leute nach einem Notarzt zu rufen. Dann habe ich mir meine Beine angeschaut und hab halt gesehen, dass der eine Fuß 90° nach innen weg steht.

 

Ole: Was waren deine Gedanken in diesem Moment?

 

Tim: Ich dachte: Das muss ein offener Bruch sein, da ich als Kind bei den Profis schon mal einen gesehen habe, dessen Fuß ähnlich böse abstand.

 

Ole: Wie ging es danach weiter?

 

Tim: Mein Bein war komplett verkrampft und wir haben dann gewartet bis der Notarzt kam, ich weiß davon eigentlich nicht mehr so viel, da der Schock bei mir gut eingesetzt hatte und somit der Schmerz auch nicht so groß war. Als der Notarzt da war, haben sie mich wohl mehrfach betäubt und mein Bein wieder in die vorhergesehene Position gedreht. Im Krankenhaus kam ich wieder zu mir, da war der Fuß dann schon wieder wo er hingehörte.

 

Ole: Hast du dir die Verletzung auf Band angeschaut?

 

Tim: Ja, ein einziges Mal. Über einen Monat später, habe ich mir es mal angeschaut und seitdem auch nie wieder. Ich habe direkt Schnappatmung bekommen und Herzklopfen, eine richtige Panikattacke eben. Die hatte ich auch schon einmal zuvor, als ich den frisch operierten Fuß gesehen habe.

 

Ole: Was ist der Grund für deinen Spannungsverlust in dieser Situation gewesen?

 

Tim: Ich habe mich voll auf die Handlung „Block“ konzentriert, aber nicht auf die Handlung „Landung“, quasi alles in die Waagschale geworfen um einen guten Block auszuführen. Alles was danach kam, war erstmal egal.

 

Ole: Wie war dein Genesungsverlauf und wo stehst du heute?

 

Tim: Die Prognosen waren zappenduster, der Arzt hat gesagt, dass ich mich von Reaktivsportarten verabschieden kann. Mein Ansatz war dann zu sagen: Okay der Arzt kennt mich nicht, wenn ich etwas wirklich will, dann setzt mein Ehrgeiz mir keine Grenzen. Außerdem wusste ich, dass ich ein super Umfeld habe. Meine Physiotherapeuten und Athletiktrainer sind hervorragend und so habe ich mir gesagt: „Schauen wir mal!“.

 

Nach Zwei Monaten, hatte ich dann einen Kontrolltermin, bei dem die Stimmung dann schon etwas besser war. Im Februar war ich bereits so fit, dass der Arzt mir das okay gab, es mit Beachvolleyball wieder zu probieren. Die Verletzung war im September 2017. Nächste Woche werde ich nun zum ersten Mal wieder Deutsche Tour spielen. Und dann werde ich nach der Beachsaison auch die Halle nochmal angreifen!

 

 

 

Dies war der erste Teil vom Interview mit Tim Noack. Den zweiten gibt’s in der nächsten Woche 

 

Sportpsychologische Perspektive:

 

Eine Verletzung ist für einen Sportler je nach Schweregrad ein kritisches Lebensereignis. Die Ursachen für so eine Verletzung sind meist multifaktoriell und im Nachhinein natürlich nur schwierig zu rekonstruieren. Neben den spielbedingten Risikofaktoren gibt es natürlich auch einige psychologische. Dabei können Lebensereignisse, bestimmte Stresssituationen und die allgemeine Erholungskompetenz des Athleten eine Rolle spiele. Ob das bei Tim der Fall war, ist nach diesem Gespräch nicht zu sagen. Dafür müsste man eine ausführliche Diagnostik mit ihm betreiben, was aber nicht Ziel dieses Interviews war.

 

Nach Hermann & Eberspächer gibt es 4 Phasen der psychischen Rehabilitation. Diese sind in der Abbildung rechts zu finden. In diesen Phasen entstehen unterschiedlich starke psychische Belastungen (n. Jens Kleinert/Abbildung unten). Vor allem in der Akutphase ist die psychische Belastung für den Sportler extrem groß und es kann zu subklinischen Reaktionen kommen. Die Belastungsreaktion ist dabei abhängig von negativen und positiven Faktoren:

 

 

 

 

 Beispiele Negative Faktoren:Beispiele Positive Faktoren:
Schweregrad der VerletzungPositive Vorerfahrung mit Reha
Saisonzeitpunkt und LeistungsniveauGrundphilosophie des Athleten: Verletzung als Chance
KarriereabschnittRückhalt und Motivation durch das Umfeld
Grad des wahrgenommenen Schmerzes

(Nach DDr. Christopher Willis)

 

 

Wichtig ist es nun in der Akutphase den Sportler Situationskontrolle und Selbstbestimmung zu vermitteln. Dies gelingt durch eine Vielzahl sportpsychologischer Techniken, die durch den sportpsychologischen Betreuer vermittelt werden können und individuell auf den Athleten zugeschnitten sind.

 

Wenn Sie nach mehr Fragen zu dem Artikel haben oder ein konkretes Anliegen melden Sie sich gerne über den Reiter „Anfragen“.

 

 

 

 

…Teil II gibt es dann nächste Woche Donnerstag. Darin geht es unter anderem darum, was Tim aus seiner Erfahrung gewonnen hat und er erklärt uns was es mit seinem Mantahari Projekt auf sich hat. Wenn euch der Artikel gefallen hat, teilt ihn doch gerne auf den sozialen Netzwerken.

 

Euer Ole

Fotos: Hoch Zwei/ Thomes Victor